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Effizienz, Transparenz und Versorgungssicherheit: SBK Siemens-Betriebskrankenkasse im Interview zu Direktabrechnung und Digitalisierung

Die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse versteht sich als Vorreiter für einen echten Qualitätswettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Als geöffnete, bundesweit tätige Krankenkasse versichert sie mehr als eine Million Menschen und betreut über 100.000 Firmenkunden in Deutschland. Für ihre Versicherten setzt sich die Krankenkasse für mehr Transparenz ein. Von Beginn an ist die SBK überzeugt von der scanacs-Vision einer Echtzeitprüfung und -abrechnung von Arzneimitteln in der Apotheke. Seit 2017 arbeiten SBK und scanacs eng zusammen. 2020 hat die SBK die scanacs-Zuzahlungsprüfung aktiviert. Auch der Prüfkatalog der SBK ist in der scanacs-Plattform direkt integriert.

Kurz vor dem Jahreswechsel 2024 trafen SBK und scanacs erneut zusammen, um in einem gemeinsamen Workshop die nächsten Schritte der Zusammenarbeit zu definieren. Uns gab es die Gelegenheit, einmal tiefer mit der Vorreiter-Kasse ins Gespräch zu gehen und uns über die aktuellen Chancen und Herausforderungen auszutauschen.

Gemeinsam mit Dr. Vera Hagemann, konzeptionelle Arzneimittelreferentin, und Christian Nitsche, konzeptioneller Fachexperte im Bereich Ausgabensteuerung, sprachen wir über Effizienzgewinne, Bürokratieabbau und Versorgungssteuerung mit digitalen Prozessen.

scanacs: Hallo Frau Hagemann, hallo Herr Nitsche und herzlich willkommen zum Interview. Wie lang bestreiten Sie persönlich schon den Weg mit scanacs?

Vera Hagemann: Ich bin seit sieben Jahren bei der SBK tätig und begleite scanacs von Anfang an. Dabei habe ich scanacs stets als offenen und kooperationsbereiten Dienstleister erlebt und bin sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit.

Christian Nitsche: Seit 2017 habe ich einige Dinge gemeinsam mit Frank Böhme bewerkstelligt. Wir waren zum Beispiel zusammen beim Digitalausschuss des Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und haben das Projektvorhaben „digitale Rezeptprüfung und Abrechnung“ vorgestellt.

scanacs: Gut sechs Jahre später ist die Direktabrechnung im Markt angekommen. Haben sich bei Ihnen dadurch bereits Prozesse verändert?

Christian Nitsche: Die Direktabrechnung ist in der GKV noch nicht flächendeckend angekommen. Wir arbeiten derzeit noch daran, die neuen Abrechnungsmodalitäten in den Verträgen umzusetzen.

scanacs: Was ist Ihre Motivation aus Krankenkassensicht, die Abrechnungsprozesse zu beschleunigen?

Christian Nitsche: Eine tagesaktuelle Prüfung und Abrechnung ermöglicht es uns, Versicherte eher aufzuklären. Es gibt viele, bisher ungenutzte Ansätze und Anlässe, bei denen wir als Krankenkasse mit mehr und früheren Informationen die Versicherten auf ihrem Weg durch das Gesundheitssystem perspektivisch unterstützen könnten. Aktuelle Daten sind dafür das Fundament.

Vera Hagemann: Auch die Prozessoptimierung für die Leistungserbringer haben wir im Blick. Also zum Beispiel, dass Genehmigungen in Echtzeit oder zumindest deutlich einfacher, ohne Papierkram, erfolgen können. Unsere Vision ist, dass alle Versicherten in der Apotheke sofort das benötigte Produkt bekommen. So optimieren wir die Versorgung für die Versicherten und verbessern gleichzeitig die Kommunikation zwischen Apotheke und Krankenkasse. Denn wir haben ein gemeinsames Ziel: Die qualitative und zeitnahe Versorgung der Versicherten!

Christian Nitsche: Genau, im Wesentlichen geht es um die Beschleunigung des Prozesses. Dadurch sind wir als Krankenkasse schneller auskunftsfähig. Das ist auch notwendig, denn der Versicherte hat seine Daten mit der elektronischen Patientenakte zukünftig in Echtzeit auf dem Handy verfügbar.

scanacs: Die Vorteile scheinen offensichtlich. Warum hat es Ihrer Meinung nach so lange gedauert? Welche Hürden bestehen auch jetzt noch?

Christian Nitsche: Wir waren von Beginn an überzeugt. Zugegeben haben wir die Hemmnisse, vor allem durch den langjährig etablierten Markt, unterschätzt.

Mit dem Start des E-Rezepts ist die Idee der Direktabrechnung schlussendlich erst praxistauglich geworden. Denn wenn der Kunde in der Apotheke steht, muss alles schnell gehen und er soll zügig beraten werden. Da sind Zusatzaufgaben wie Rezepte einscannen einfach lästig. Jetzt liegen die Daten zumeist elektronisch vor. Ein echter Gamechanger!

Doch der Weg dahin war beschwerlich und lang. Das ist uns gerade wieder klar geworden, als wir den Blick in einen Arzneimittelliefervertag von 2003 geworfen haben. Schon vor 20 Jahren wurde die Option „nicht papiergebundenes“ Rezept zumindest mitgedacht. Das es 20 Jahre bis zum Go live dauern wird, hat sicher niemand erwartet.

scanacs: Leider werden heutzutage hinter den digitalen Daten häufig noch ausgedruckte Papierrechnungen per Post hinterhergeschickt. Wie stehen Sie zu der E-Rechnung?

Christian Nitsche: In den Verträgen ist das Papier noch aufgeführt. Allerdings gibt es ja bereits bilaterale Absprachen zwischen Kassen und Apothekenrechenzentren, dass auf Papier verzichtet wird. Wir begrüßen das, wenn der Prozess hier schlanker und effizienter wird. Aus unserer Sicht müssen die Verträge dahingehend zügig angepasst werden.

Vera Hagemann: Das sehe ich auch so, allein schon vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsaspekts. Wir haben jetzt gesehen wie viele Tonnen CO2 und Papier bereits durch den Wegfall des Muster 16 eingespart werden. Das ist ja nur ein Bruchteil von den mehrere Seiten langen Briefen, die aktuell als Rechnungen hinterhergeschickt werden.

scanacs: Wie würde sich ein voll digitaler Abrechnungsprozess auf Seiten der Krankenkasse, aber auch für die Versicherten auswirken?

Vera Hagemann: Mit Einführung der Medikationsliste Anfang 2025 wird der Versicherte uns gegenüber einen Wissensvorsprung bekommen, denn: Wir als Krankenkasse erhalten die Daten erst nach der Abrechnung. Mit einer Direktabrechnung in Echtzeit, können wir mithalten. Wir wüssten z. B. tagesaktuell, ob der Versicherte ein Entlassrezept bekommen hat und könnten bei Bedarf proaktiv bei der Organisation weiterer notwendigen Maßnahmen unterstützten oder beraten. Aber nur, wenn der Versicherte dies auch wünscht! Das ist unsere oberste Prämisse. Natürlich sind Arzneimitteldaten auch nur ein Teil dessen, aber daran lassen sich unheimlich viele Dinge ablesen. Wenn perspektivisch weitere Gesundheitsdaten hinzukommen, lässt sich an verschiedenen Versorgungspunkten anknüpfen. So könnten z. B. Antragsprozesse beschleunigt oder vorausschauend geplant und angeschoben werden.

Christian Nitsche: Für unsere internen Prozesse als SBK bedeutet dies auch Bürokratieabbau. In der häuslichen Krankenpflege gibt es beispielsweise eine Richtlinie, über die wir u.a. das Vorhandensein einer Insulintherapie prüfen müssen. Wenn wir hier die Arzneimitteldaten tagesaktuell hätten, könnten wir diese Dinge viel schneller plausibilisieren und müssten keine externen Stellen mehr einschalten, um Informationen zu erhalten.

scanacs: Wie stehen Sie zu dem Argument, dass die Krankenkassen mit zunehmender Digitalisierung viel mehr Daten zu Analysezwecken hätten?

Vera Hagemann: Der Umfang der Daten, die wir über unsere Versicherte geliefert bekommen, hat sich faktisch mit dem E-Rezept nicht verändert. Wir wissen genau so viel – oder wenig – wie vorher. Im besten Falle wissen wir es eher.

scanacs: Was würden Sie anderen Krankenkassen oder deren Dienstleistern raten, um sich auf die Direktabrechnung einzustellen?

Vera Hagemann: Auf jeden Fall, dass es kommen wird. Das kann man nicht mehr wegdiskutieren. Es ist also jetzt an der Zeit, sich mit der Direktabrechnung auseinander zu setzen. Dann weiß man, welche prozessualen Veränderungen sich dahinter verbergen können. Entsprechende Vorkehrungen können so rechtzeitig getroffen werden. Jetzt ist auch die Zeit, Chancen und Risiken auszuloten. Wir möchten diesen Wandel, da wo wir können, in jedem Fall mitgestalten.

Christian Nitsche: Wir als SBK haben das ja auch nicht in der Hand, letztlich wählen die Apotheken ihren Abrechnungsprozess. Wir möchten die Apotheken auf diesem Weg jedoch unterstützen. Deswegen sollten andere Krankenkassen oder deren Dienstleister auf jeden Fall das Gespräch suchen. Wir haben da in den letzten Jahren schon häufig Abwehrhaltungen erlebt: “Es führe zu Mehraufwand“. Aber man muss sich doch eher fragen: „Wie können wir mit dem Mehraufwand umgehen und ihn in etwas Positives umwandeln?“ – z. B. indem man auf Papierrechnungen verzichtet, alternative Wege einschlägt. Deswegen ist meine Botschaft: Lasst uns den Prozess gestalten!

Vielen Dank für das Interview!

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