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Combi Direct: hybride Lösung der Rezeptabrechnung – Interview mit Michael Irmer (AZ Nord) zur Zukunft von Apotheken und Direktabrechnung

Die Einführung des E-Rezepts stellt nicht nur Apotheken, sondern auch Rechenzentren vor einen grundlegenden Wandel. Während Direktabrechnungsmodelle mit Krankenkassen für mehr Effizienz und Liquidität sorgen, argumentieren Rechenzentren, dass ihre Dienstleistungen weiterhin unverzichtbar sind. In dieser Debatte schafft die COMBI-DIRECT-Lösung einen neuen Ansatz: Sie kombiniert die herkömmliche Abrechnung von Papierrezepten mit den Vorteilen der modernen E-Rezept-Direktabrechnung.

Entwickelt durch eine Partnerschaft zwischen AZ Nord und scanacs, bietet COMBI DIRECT Apotheken die Möglichkeit, flexibel auf beide Systeme zuzugreifen, ohne ihre bestehenden Prozesse komplett umstellen zu müssen. Damit wird eine wichtige Brücke zwischen der herkömmlichen und der digitalen Rezeptabrechnung geschlagen – ein Ansatz, der nicht nur Zeit und Kosten spart, sondern auch auf die Zukunft vorbereitet.

In unserem Interview erklärt Michael Irmer, Geschäftsführer von AZ Nord, warum die Zeit für diesen Umbruch reif ist, wie Apotheken von der COMBI DIRECT-Lösung profitieren können und welche Schritte nötig sind, um die Hybridlösung erfolgreich in den Apothekenalltag zu integrieren.

scanacs: Hallo Herr Irmer und herzlich willkommen zum Interview. Stelle Sie unseren Leserinnern und Lesern eingangs doch bitte einmal sich und Ihr Unternehmen vor.

Michael Irmer: Ich bin gelernter Jurist und Kommunikationswirt. Mit der Rezeptabrechnung für Apotheken habe ich seit 1997 zu tun. Kurz zuvor gab es den bis dahin größten Umbruch in der Rezeptabrechnung. Damals wurde das sogenannte ImageingProcessSystem (IPS) für die Rezeptabrechnung eingeführt. Genormte Abrechnungsformulare wurden gescannt, deren Daten ausgelesen und aus diesen Datensätzen die Rechnungen zulasten der GKV und zugunsten der Apotheken erstellt. Gesetzlich ergab sich dieses Verfahren aus § 300 SGB V mit seiner Rahmenvereinbarung und den dazugehörigen technischen Anlagen.

Jetzt stehen wir mitten im nächsten Umbruch der Rezeptabrechnung für Apotheken. Das E-Rezept ist da und die Marktbedingungen in der Rezeptabrechnung ändern sich radikal.  Hier kommt das AZ Nord ins Spiel. Gemeinsam mit unseren starken Partnern nehmen wir eine zentrale Rolle als Schnittstelle zwischen herkömmlicher Rezeptabrechnung und moderner Direktabrechnung ein. Im Kern organisieren wir die Rezeptabrechnung gemäß den Vorgaben der §§ 300 und 302 SGB V gegenüber den entsprechenden Kostenträgern. Über die Einbindung der scanacs-Plattform, schaffen wir für alle Apotheken den Zugang zur scanacs-Direktabrechnung – unabhängig von der Warenwirtschaft. Die scanacs-Plattform stellt der Apotheke die notwendige Infrastruktur bereit, um E-Rezepte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung gegenüber den Krankenkassen abzurechnen.

scanacs: Mit Hinblick auf Ihre langjährige Erfahrung im Abrechnungswesen, warum ist jetzt die richtige Zeit für einen Umbruch?

Michael Irmer: Ein guter Freund zitiert hierzu gerne Albert Einstein: „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher.“

Während von 1995 bis Anfang der 2000er noch vereinzelte extrem technikaffine Apotheken selbst abgerechnet hatten, war dies durch ein „Aufblähen“ der formellen und technischen Voraussetzungen nicht mehr möglich und sicherlich auch nicht gewollt. Mit der gesetzlichen Einführung der Herstellerrabatte zum 01.01.2003 gerieten die Apothekenrechenzentren erstmalig in die bewusste Rolle, eine den Apotheken auferlegte Inkassotätigkeit selbstständig zu übernehmen und somit als Finanzdienstleister zu agieren. Die Übernahme von Finanzdienstleistungen für Apotheken durch die Apothekenrechenzentren wurde mit Einführung der Dekadenzahlungsmodelle für den Großhandel maximal forciert. Mittlerweile sind nicht wenig Apotheken abhängig von Finanzdienstleistungen ihres Apothekenrechenzentrums. Und das, obwohl die Rechenzentren in ihrer Kernkompetenz keine Finanzdienstleistungen erbringen sollten. Durch diese Liquiditätsabhängigkeit vom Rechenzentrum werden die Apotheken weiter in ihrer selbständigen Ausübung des freien Berufes eingeschränkt. Dabei steigt der Liquiditätsbedarf stetig – nicht zuletzt durch die Skonto-Entscheidung des EUGH.

Mit Blick auf diese Entwicklungen, komme ich zurück auf den einleitenden Satz zu diesem Thema. Die Digitalisierung kombiniert mit einer Direktabrechnung schafft neue Möglichkeiten für Apotheken: wieder selbst abrechnen und die Abrechnungsgelder mehrfach im Monat direkt von der Kasse ausgezahlt bekommen.

scanacs: Was hat AZ Nord dazu bewegt, die COMBI DIRECT-Lösung gemeinsam mit scanacs zu entwickeln?

Michael Irmer: Aktuell gibt es noch zu viel Papierbelege in der Rezeptabrechnung für Apotheken und einen gewissen Anteil wird es immer geben. Daher ist eine Mischform wie die zwischen AZ Nord und scanacs mit der COMBI DIRECT-Lösung der einzig logische Schritt zum Erreichen der vorgenannten Lösung.

scanacs: Wie genau unterstützt AZ Nord Apotheken bei der Direktabrechnung von E-Rezepten?

Michael Irmer: Wir haben eine technische Lösung geschaffen, in der das AZ Nord die Abrechnungsprozesse der E-Rezept-Direktabrechnung durch scanacs und der herkömmlichen Papierrezeptabrechnung koordiniert. So ermöglichen wir allen Apotheken den Zugang zur scanacs-Plattform. Einzige Voraussetzung, ist der Wechsel des Rezeptabrechners zum AZ Nord.

scanacs: Welche technischen Voraussetzungen müssen Apotheken erfüllen, um die COMBI DIRECT-Lösung nutzen zu können?

Michael Irmer: Keine. Apotheken, die das Kombi-Angebot annehmen möchten, müssen einmalig das AZ Nord in ihrem Apothekenverwaltungssystem als Rechenzentrum einbinden. Daher sollten die Vertragslaufzeiten des bisherigen Abrechners geprüft werden.

scanacs: Wie sieht der Prozess für Apotheken aus, die sich für COMBI DIRECT entscheiden? Welche Schritte müssen sie unternehmen?

Michael Irmer: Auch hier soll alles so einfach wie möglich sein, aber um einige Formalismen kommen auch wir nicht drum herum. Alle Parteien schließen mit der Apotheke einen Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung, wir führen eine Identifikation nach dem Geldwäschegesetz durch und müssen alle notwendigen Stammdaten in unseren Systemen anlegen. Die Apotheke muss vor dem ersten Abrechnungsmonat sichergestellt haben, dass die Einstellungen in der Warenwirtschaft vorgenommen wurden und muss alle relevanten Daten übertragen sowie sich mit ihrem Steuerbüro zur Umstellung auf die Direktabrechnung abgestimmt haben. Für die Apotheke ist scanacs dabei der zentrale Ansprechpartner.

scanacs: Welche anderen Partner sind an der Umsetzung der COMBI DIRECT-Lösung beteiligt, und wie tragen sie zum Erfolg dieses Projekts bei?

Michael Irmer: Für die Umsetzung greifen wir auf die Ressourcen der etablierten Apothekenrechentren ARZ Wünsch und AVC Dick zurück, die zusammen über 100 Jahre Erfahrung in der Rezeptabrechnung für Apotheken haben. Das hat den großen Vorteil, dass wir Synergieeffekte nutzen können und sich jeder Partner auf sein Kerngebiet fokussiert. Durch die Partnerschaft können Apotheken von wettbewerbsfähigen Preisen profitieren.

scanacs: Abschließend noch eine letzte Frage: Wie sehen Sie die Rolle der Digitalisierung im Gesundheitswesen und speziell in der Apothekenabrechnung in den nächsten fünf Jahren?

Michael Irmer: Wir befinden uns in einer Zeitenwende der Rezeptabrechnung. Das E-Rezept macht es möglich, was seit Jahren im Europäischen Umland Standard ist: Die Direktabrechnung. Die Rezeptabrechnung für Arzneimittel, die wir bis jetzt kennen, wird es nur noch für Papier geben. Je mehr Produkte im Gesundheitswesen ausschließlich digital abgerechnet werden, umso größer ist die (Entscheidungs-) Freiheit der Leistungserbringer. Wer sich jetzt dieser Entwicklung gegenüber sperrt, wird das Nachsehen haben.

Vielen Dank für das Interview!

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