Wie lässt sich der Abrechnungsprozess im Gesundheitswesen modernisieren, ohne den dringend benötigten Fortschritt durch veraltete Denkweisen auszubremsen? Frank Böhme, Geschäftsführer von scanacs, schildert eine Begegnung, die genau diese Frage aufwirft. In einer offenen und kritischen Analyse beleuchtet er die Spannungen zwischen digitaler Transformation und traditionellen Strukturen im Abrechnungsprozess von Apotheken und Krankenkassen – und erklärt, warum es höchste Zeit ist, den „Normalzustand“ wiederherzustellen.
Lesen Sie, wie Bürokratie den Fortschritt behindert, warum schnelle Abrechnungen keine Zugeständnisse, sondern eine Notwendigkeit sind, und welche Vorteile eine konsequente Digitalisierung für alle Beteiligten bringen kann.
Erfahrungsbericht von Frank Böhme
Kürzlich traf ich eine Bereichsleiterin einer großen gesetzlichen Krankenkasse, die meine Auffassungen von einem modernen, zukunftssicheren Gesundheitswesen teilt. Ich schätze sie sehr, weil sie die digitale Transformation in ihrem Team konsequent vorantreibt.
Bei den Chancen kürzerer Abrechnungszyklen für Arzneimittel sieht sie klare Vorteile für ihre Organisation; ein gemeinsames Thema für das nächste Jahr.
Nach ihrer Beobachtung, sehen fachliche Pendants anderer Krankenkassen teilweise in der Verkürzung der Abrechnungszyklen von mehreren Wochen auf wenige Tage – oder gar Echtzeit – ein “Zugeständnis an die Apotheken“. Ich halte das für den falschen Gedanken.
Patienten setzen im Rahmen ihrer Therapie Vertrauen in die Menschen, die ihnen in der Not helfen. Sie erwarten eine hohe Professionalität und verlassen sich darauf, dass sie von den Behandelnden ernst genommen werden. Das schafft emotionale Nähe; es gilt auch für jede Beziehung, privat oder geschäftlich. Diese Beziehung funktioniert nur, weil beide Seiten davon ausgehen, dass die erbrachte Leistung zeitnah, wenn nicht gar unmittelbar, honoriert wird. Es herrscht Vertrauen und ist gelebter Alltag. Wir gehen ja auch nicht ins Restaurant und lassen anschreiben.
Die angesprochene Anspruchshaltung einzelner GKV-Vertreter wirkt da geradezu absurd und befremdet.
Insbesondere, weil Krankenkassen Versichertengelder zu ca. zwei Prozent Guthabenzins anlegen können, während Apotheken abzugebende Arzneimittel – häufig aufgrund der berechtigten schnellen Rechnungsstellung der Großhändler – mit mehr als zehn Prozent Zinsen vorfinanzieren müssen. So wird dem Gesundheitswesen dringend benötigtes Geld entzogen und fließt den Banken zu.
In unserem Restaurant-Beispiel würde man also mit dem Bewusstsein Essen gehen, erst in vier bis sechs Wochen zu bezahlen. Die Frage ist daher, warum war das zwischen Apotheken und Krankenkassen bisher so üblich und woher kommt dieser Verzug?
Er ist ausschließlich der aufwendigen Logistik zur Aufbereitung der bekannten Rosa-Zettel (Muster16) geschuldet. Ohne das E-Rezept war dieses Vorgehen sinnvoll und notwendig. Mit dem E-Rezept ist es hinfällig, da sich der gesamte Prozess, von der Verordnung bis zur Abrechnung, voll digital abbilden lässt. Heutzutage daraus einen Anspruch auf späte Begleichung der Rechnungen abzuleiten, ist gegenüber den Apotheken unseriös und beeinträchtigt ungerechtfertigt ihre finanzielle Situation. Für Patienten ist es ein nicht nachvollziehbares Verhalten.
Patienten ist die Apotheke zumeist vertrauter als die Krankenkasse. Sie wollen in der Not wiederkommen und willkommen sein.
Die bisherige Leistung der GKV ist anzuerkennen, man sollte jedoch erwarten, dass sie keine zusätzlichen Hürden für die digitale Abrechnung schafft und Bürokratie unnötig am Leben erhält. Es geht auch anders, dafür kenne ich genügend Positivbeispiele.
Dennoch habe ich, unabhängig davon den Eindruck, dass die ein oder andere Unternehmensleitung nicht weiß, was ihre Fachteams machen und welchen Einfluss das auf die Zusammenarbeit mit Leistungserbringern hat. Häufig werden deshalb Versorgungs- und Abrechnungsprozesse nicht als Ganzes betrachtet.
Anders lässt sich nicht erklären, warum Krankenhäuser seit mehr als zwanzig Jahren zu jeder Zeit voll digital abrechnen dürfen und weshalb das nun für Apotheken nicht gelten soll.
Von Zugeständnissen kann also keine Rede sein. Wir stellen lediglich den Normalzustand her.