Ein Kommentar von Frank Böhme
Seit dem 1. August 2025 gelten in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern neue Bestimmungen für die Abrechnung von Arzneimitteln. Der bisherige Vertrag wurde seit über 20 Jahren nicht geändert und an moderne Möglichkeiten angepasst.
Verpasste Chance oder gewolltes Schneckentempo
Man hätte daher vermuten können, dass die AOK Nordost mit der Ergänzung von Abrechnungsbestimmungen für das E-Rezept die Chance nutzt, die sich bietenden Potenziale für sich selbst, die Apotheken sowie die Patientinnen und Patienten auszuschöpfen.
Fehlanzeige, im Gegenteil: Man hat die alte Logik des Papierprozesses einfach auf die Abrechnung des E-Rezepts übertragen. Obwohl der Prozess, dank der digitalen Datenverfügbarkeit, enorm beschleunigt werden kann.
Konkret bedeutet das: Eine Apotheke, die am 5. August ein Arzneimittel beliefert hat und anschließend sofort das dafür notwendige E-Rezept abrechnen könnte, muss auf die Fertigstellung des Abrechnungsprozesses für die Papierverordnungen warten – also mindestens vier Wochen. Erst anschließend darf das E-Rezept im Rahmen der Sammelabrechnung gegenüber der AOK Nordost abrechnet werden. Vertane Zeit, verlorenes Geld, viele Aufwand.
Die Frist zur Prüfung der Rezepte durch die Krankenkasse wurde in Berlin auf zwölf Monate verkürzt – ein Zeitraum, der bei anderen Krankenkassen und in vielen anderen Regionen Deutschlands, auch in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, bereits seit Jahrzehnten üblich ist. Zeitgemäß und möglich wäre eine Echtzeitprüfung bereits vor Abgabe des Medikaments an die Patientin bzw. den Patienten sowie eine tägliche Abrechnung.
Direktabrechnung wird nicht „kassiert“ sondern wirtschaftlich unattraktiv
Diese regionale Regelung zur gebündelten Abrechnung bedeutet auch, dass die im Gesetz vorgesehene und in der Praxis bereits gelebte Direktabrechnung sowohl bei Apotheken als auch bei Krankenkassen deutlich mehr Aufwand verursacht als sie müsste.
Der Zwang zur Bündelung führt dazu, dass im Rahmen der Direktabrechnung Krankenkassen aus jeder Apotheke monatlich mindestens ein Paket erhalten – anstatt wie bisher jeweils eine Sammelrechnung für Papierrezepte über die Apothekenrechenzentren. Damit steigen die Verwaltungskosten der AOK Nordost – und die der Apotheken.
Dabei ist es bereits heute bei mehr als 90 Krankenkassen Standard, dass E-Rezepte separat – monatlich oder sogar wöchentlich – direkt durch Apotheken gegenüber den Kassen abgerechnet werden. Die Erstattung erfolgt direkt auf das Konto der Apotheke.
Es lässt sich nur spekulieren, warum die AOK Nordost diese Chance vertan hat, an diesen Standard anzuknüpfen.
Anpassungen gefährden Versorgungssituation
Fakt ist: Das Arzneimittelteam der AOK Nordost hat bisher die Erstattung direkt abgerechneter E-Rezepte – trotz gesetzlicher Vorgaben – regelmäßig abgelehnt.
Das gilt selbst für Verordnungen, die Versicherte der AOK Nordost bei Apotheken beispielsweise in Baden-Württemberg eingelöst haben. Eine Region, in der die Direktabrechnung auch mit der AOK vereinbart ist.
Es fällt auf, dass der neue Vertrag die Situation der eigenen Versicherten nicht berücksichtigt. Besonders schwer kranke Menschen suchen schon jetzt gezielt Apotheken, die ihre hochpreisigen Medikamente abgeben können und die in der Lage sind, diese bis zur Erstattung zwischen zu finanzieren.
Gerade in Flächenländern wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kann dies für Patientinnen und Patienten ein erhebliches Problem darstellen. Eine Situation, der eine flexible Rezeptabrechnung mit direkter Erstattung auf das Apothekenkonto entgegenwirken kann. In diesen Regionen haben Apotheken einen Standortnachteil bei der Arzneimittelversorgung gegenüber jenen in Stuttgart, den Versicherte ausbaden.
Zwar wurde im Vertrag eine Regelung zur verkürzten Abrechnung für die Zeit ab dem 1. August 2026 aufgenommen. Es bleibt jedoch unklar, inwiefern die Apotheken und somit die Patienten von den angedachten 3 Abrechnungen pro Monat profitieren sollen.
Fazit: Ein katastrophales Signal
Die neuen Abrechnungsbestimmungen im Nordosten senden – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussion über die Innovationskraft und die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherung – mit ihrem Unwillen? oder Unvermögen? alte Prozesse an den digitalen Fortschritt anzupassen, ein katastrophales Signal an die Öffentlichkeit.