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Vertrauensvolle Vernetzung

Kürzlich durfte ich auf einer sehr interessanten Veranstaltung der AOK Plus zur „Zukunft der Gesundheitsbranche“ teilnehmen. Am 14.05.2018 trafen sich in der Gläsernen Manufaktur Apotheker, Kliniker und Startups mit Mitarbeitern der AOK Plus.

Eines der vom MDR-Moderator Rene Kindermann angesprochenen Schwerpunktthemen war die Bedeutung der Vernetzung im Gesundheitswesen als Reaktion auf die bestehenden Herausforderungen.

Häufig haben wir das Gefühl, uns in einer gänzlich neuen bisher nie dagewesenen Situation zu befinden. Schaut man jedoch in die Geschichte, so finden wir einige Beispiele, die an die derzeitigen Umbrüche erinnern. Interessant finde ich hier das Fernhandelssystem der Hanse.

Im Hochmittelalter kam es durch ein Wachstum der Bevölkerung und damit einhergehend einer Zunahme der Städte zu einer Veränderung der Fernhandelsbeziehungen. Hierdurch wurde der bestehende Karawanenhandel durch ein Fernhandelssystem, bei dem die Händler von ihrer Heimatstadt aus lediglich Waren dirigierten und von Spediteuren zu den Märkten bringen ließen, abgelöst.1 Heute würde man dies als disruptiven Prozess bezeichnen. ?
Mit ihrem Netzwerk haben die Kaufleute der Hanse auf die sich ändernden Rahmenbedingungen reagiert.2
Sie waren dabei als wirtschaftlich und juristisch selbständige Einheiten in einer Kooperation organisiert und verfolgten das Ziel, ihre Wettbewerbsvorteile durch Handelsprivilegien in Städten wie London oder Brügge zu sichern.3
Innerhalb dieser Netzwerkorganisation wurden die wirtschaftlichen Aktivitäten durch Kultur, Vertrauen und Reputation koordiniert, wobei verschiedene Teilnehmer die Funktion einer Clearingstelle übernahmen. Durch sie erfolgte die Verbreitung von Informationen über nicht vertrauenswürde und unehrliche Kaufläute.4

Das Fernhandelssystem funktionierte aufgrund seines Erfolges lange Zeit reibungslos. Jedoch führten insbesondere die Privilegien in Brügge dazu, dass die Hanse ihren Kaufleuten die Nutzung von zunehmend bedeutenderen Märkten, wie dem in Antwerpen, erschwerte.
Außerdem wurde durch den Versuch, sich vehement gegen Konkurrenz zu schützen, eine radikale Fortentwicklung der Handelstechniken, wie die Einführung einer leistungsfähigen Buchführung, vernachlässigt.
Der von den Hansekaufleuten bevorzugte Handel auf Gegenseitigkeit, mit geringem Handelsumfang und geringer Kapitalausstattung, wurde so konserviert, dass die Konkurrenzfähigkeit in der Umbruchphase des Fernhandels litt.5 Im siebzehnten Jahrhundert kam es zum Erlöschen der Hanse.

Sie war damit mehr als vierhundert Jahre, mit ihrem auf Vertrauen basierenden Kooperationsmodell erfolgreich. Gescheitert ist sie an ihrem Wohlstand, der die Kraft zur Innovation verhinderte.

Aus meiner Sicht zwängen diese Ausführungen Parallelen zur aktuellen Situation im Gesundheitswesen geradezu auf. Wir haben einen hohen Lebensstandard, sind häufig in kleinen Wirtschaftseinheiten organisiert, versuchen an Bestehendem festzuhalten und tun uns schwer mit innovativen Lösungen.

Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zu damals, den Mangel am kritischen Erfolgsfaktor Vertrauen. So wird immer wieder das Vorgehen in Verhandlungen mit dem Vorgehen in Projekten verwechselt oder sogar bewusst vermischt.

In Verhandlungen verfolgen beide Parteien naturgemäß unterschiedliche Ziele. In komplexen Vorhaben muss das Team aber zwingend gemeinsam in eine Richtung laufen. Ist dies nicht der Fall, so ist das Erreichen des gemeinsamen Ziels fast ausgeschlossen. Ich denke, hierin liegt einer der Gründe für die fehlende flächendeckende Vernetzung in unserem Gesundheitswesen.

In letzter Zeit tut sich aber etwas. Wir haben während unseres Projektes viele interessante, offene und innovative Menschen aus Apotheken, Krankenkassen und Partnerunternehmen kennengelernt. Alle eint der Wille zur Veränderung, sei es aus dem Blickwinkel der Versorgung oder dem der ökonomischen Notwendigkeit.

Beide Perspektiven haben im Gesundheitswesen ihre Berechtigung, was der Dialog der AOK Plus gezeigt hat.

Der Zukunftsforscher Sven Gabor Jánszky erläuterte in seinem Vortrag die Unsicherheit der Zukunft anhand von Beispielen und aktuellen weltweiten Initiativen. Im Sinne unserer Kinder seien die Entwicklungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln, aber nicht negativ zu bewerten. Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender der AOK Plus, verwies auf 300.000 fehlende Fachkräfte im Gesundheitswesen und das Problem, wichtige Prozesse sicherstellen zu können. Stefan Knupfer, Vorstand der AOK Plus, nannte insbesondere die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie sowie die Initiativen von Amazon eine eigene Krankenversicherung zu gründen als besondere Herausforderungen. Sven Lobeda, aus der Apotheke Johannstadt, ging auf die Nutzerorientierung und schnelle Projektumsetzung als zentrale Akzeptanzkriterien für den Einsatz von digitalen Anwendungen ein. In diesem Zusammenhang nannte er als sehr gutes Beispiel die Online-Hintergrundabfrage der AOK Plus zur Klärung einer Zuzahlungsverpflichtung während der Arzneimittelabgabe. Für Jürgen Graalmann, dem Gründer der Konzept- und Beteiligungsagentur „Die BrückenKöpfe“, sind eine offene Fehlerkultur, eine selbstkritische Reflektion und Entscheidungsfreude wesentliche Aspekte für erfolgreiches Innovationsmanagement.“

Alle von meinen Gesprächspartnern genannten Herausforderungen machen eines deutlich: wer in diesem Umfeld der Unsicherheit zukünftig bestehen will, muss vertrauensvoll und vernetzt kooperieren. Wer das nicht hinbekommt, braucht an Innovation nicht zu denken. Die Chance, die vierhundert Jahre Hanse-Geschichte zu übertreffen ist damit äußerst gering.

Literatur:
1 Unternehmerische Netzwerke, Berghoff, Sydow – S.48
2 Unternehmerische Netzwerke, Berghoff, Sydow – S.56
3 Unternehmerische Netzwerke, Berghoff, Sydow – S.52
4 Unternehmerische Netzwerke, Berghoff, Sydow – S.53
5 Unternehmerische Netzwerke, Berghoff, Sydow – S.62

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