E-REZEPT WELCOME PARTY: „IN EINEM JAHR WIRD SICH DAS E-REZEPT DURCHSETZEN“

Am 6. Juli lud der Plattformspezialist scanacs gemeinsam mit dem WiG2 nach Dresden zur „E-Rezept Welcome Party“ ein. Anlass war der offizielle Start des E-Rezepts in Deutschland am 1. Juli, zunächst mit einem Pilotprojekt in Berlin-Brandenburg. Bei strahlendem Sonnenschein bot die neu bezogene scanacs-Zentrale am Dresdner Messering einen passenden Rahmen für die Veranstaltung, die teils virtuell und teils vor Ort stattfand und im Internet live gestreamt wurde.


Fünfzehn maßgebliche Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens diskutierten engagiert über den aktuellen Stand zum Start des E-Rezepts und notwendige Schritte bis zu seiner bundesweiten Einführung. Für das Event hatten sich fast 700 Teilnehmerinnern und Teilnehmer angemeldet, wobei bis zu 300 den Live-Stream verfolgten. In zwei interaktiven Panels wurden grundsätzliche Fragen zur Versorgungskette sowie zu Technologie und Innovation diskutiert. Dabei wurden die Themen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
Veranstaltet wurde die „Welcome Party“ gemeinsam vom Wissenschaftlichen Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung WiG2 und scanacs. Es war nach dem erfolgreichen E-Rezept Summit vom 23. März 2021 bereits das zweite Event. Die Fortsetzung der Event-Reihe erfolgt am 23. November 2021.


Nach der Begrüßung durch Martin Blaschka, Leiter Innovationsnetzwerk und Veranstaltung des WiG2, den Grußworten von Björn Degenkolbe, Institutsleiter des WiG 2, gab Frank Böhme, Gründer und Geschäftsführer von scanacs, das Motto für die Veranstaltung vor: „Es geht darum, die positive Grundstimmung des ersten Summits mitzunehmen.“ Böhme betonte noch einmal die Vorteile der Digitalisierung des gesamten Prozesses, mit dem es gelingen könne, „Retaxationen abzuschaffen, Verwaltungsaufwände in Apotheken und Krankenkassen zu senken und auch eine Direktabrechnung zu ermöglichen.“


Motivierende Keynote von Dani Hildebrandt


Ihren motivierenden Impulsvortrag begann Dani Hildebrandt mit einem überraschenden Einstieg. Die Coachin für digitale Transformation in Apotheken zeigte einen TV-Beitrag aus dem Jahr 2004, in dem ein Prototyp für ein elektronisches Rezept in Schleswig-Holstein vorgestellt wurde. Im Jahr 2006, so der Bericht, solle das elektronische Rezept, zusammen mit der bundesweiten Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte, einsetzbar sein. Auch wenn seitdem noch anderthalb Jahrzehnte vergangen seien, stellte Dani Hildebrandt fest, „wird es sich nicht ändern, dass sich die Welt ändert. Der Wandel ist da.“ Dennoch war für die Transformations-Expertin klar, dass sich das E-Rezept nur durchsetzen werde, wenn die Beteiligten es annehmen. „Wir finden Veränderung nur dann gut, wenn sie uns einen Mehrwert bringt“, so Hildebrandt, und sie verwies auf ein positives Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Die Ausstellung der digitalen Covid-Impfzertifikate hätten vielen Apotheken die Möglichkeit gegeben, ihre Kunden bereits jetzt an die neuen Techniken heranzuführen und zu beweisen, dass sie auch kurzfristig Lösungen in ihrem Interesse finden könnten. Hildebrandt war deshalb überzeugt: „Eines wird sich auch durch die Digitalisierung nicht verändern, und das sind die Menschen dahinter.“ Das E-Rezept brauche „auch E-Menschen, nämlich echte Menschen“, so ihr optimistisches Fazit.


Panel 1 „Versorgungskette“: Das E-Rezept erleichtert Kommunikation & vermeidet Fehler


Ralf König, Director Pharmacy im Health Innovation Hub des Bundesgesundheitsministeriums, moderierte das erste Panel zum Thema Versorgungskette. Alle Diskutanten machten in ihren Eingangsstatements deutlich, dass sie dem E-Rezept grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Apothekerin Margit Schlenk, Apothekerin und Mitgründerin der Telepharmazie-Plattform Apomondo, erklärte, sie freue sich darauf, mit dem E-Rezept eine „digitale Versorgungshängematte für Patienten zu schaffen, die auch Kosten senkt“.
Für Dr. Hans Unterhuber, Vorstand der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK), bietet das E-Rezept die Chance für jeden, „mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen vertraut zu werden“, und deshalb habe die SBK das Projekt von Anfang aktiv unterstützt. Aus diesen Erfahrungen heraus empfahl er, das E-Rezept auf jeden Fall mit echten Nutzern zu testen.
Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) hielt das E-Rezept für „überfällig“. Er bemängelte allerdings die fehlende Einbindung der Krankenhausapotheken in die Tests. Dennoch war er optimistisch, dass in entsprechender Testphase mit einem „Sprint bis zur Einführung“ die offenen Fragen noch beantwortet werden können.
Marcel Weigand, Vertreter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands (UPD), freute sich auf das „Ende der Zettelwirtschaft“ mit der Einführung des E-Rezepts. „Für die Patienten werden die Prozesse einfacher und sicherer“, so Weigand, „wichtig ist dabei das Zusammenspiel mit allen Beteiligten.“


Auf die Frage, wie weit die Vorbereitungen in den Apotheken gediehen sein, antwortete Margit Schlenk: „95 Prozent der Apotheken stehen für elektronische Verordnungen bereit. Die Apotheken sind angebunden an TI, die Computer sind aufgerüstet und bereits jetzt werden Patienten aufgeklärt.“ Moderator Ralf König ergänzte, die Einbindung der Ärzte sei ein wichtiger Aspekt für den Erfolg des E-Rezepts: „Unwissenheit wird bisher durch Angst gefüllt.“ Roland Engehausen von der BKG kritisierte für die Prozesse im Krankenhaus eine bislang fehlende Integration der Systeme. „Da haben wir eine größere Strecke vor uns“, sagte er.


„Wenn Datenaustausch in Echtzeit möglich wird“, erklärte Hans Unterhuber, „wird für uns als Krankenkasse im Prozess mit den Apotheken vieles leichter.“ Probleme sah er eher bei den Patienten, die Unterstützung benötigten. Hier forderte er eine engere Zusammenarbeit von Krankenkassen, Apotheken und gematik. „Der Nutzen für alle wird erst entstehen, wenn das E-Rezept komplett integriert ist“, stellte Unterhuber fest und forderte deshalb die Klarstellung der bestehenden Rechtsunsicherheiten. Das sei eine Aufgabe des Staates.
Aus Sicht der Patienten, so Marcel Weigand, sei die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit durch das E-Rezept der wichtigste Nutzen. Die Bundesregierung habe 2018 in einer Anfrage klargestellt, dass es in Deutschland pro Jahr 250.000 vermeidbare Einweisungen durch Medikationsfehler gebe. „Wenn wir nur 5 Prozent davon in den nächsten Jahren vermeiden können, ist das immens viel.“
Weigand ging davon aus, dass nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte unzureichend über elektronische Verordnungen aufgeklärt seien, und verlangte eine „systematische Schulung und Unterstützung“ dieser Gruppen. „Digitalisierung ist nicht in erster Linie Technologie, sondern Bereitschaft zur Veränderung“, so Weigand.


Margit Schlenk unterstützte diese Forderung und verwies auf die „unglaubliche Lernkurve“ in der Bevölkerung im Umgang mit den neuen Medien während des Lockdowns. Dennoch gebe es Menschen, die der „Digitalisierung fern seien“, so die Apothekerin. „Um sie an die neue Zeit heranzuführen, stehen die Apotheken vor Ort bereit.“


Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass die erfolgreiche Einführung des E-Rezepts nur gemeinsam zu erreichen ist. Auf die Frage von Moderator Ralf König, wann 90 Prozent der Verordnungen digital seien, waren die Antworten durchweg optimistisch. Hans Unterhuber von der BKG erwartete einen „Selbstläufer“, Marcel Weigand rechnete mit „zwei bis drei Jahren“. Margit Schlenk erwartet dieses Ergebnis bereits 2023 und legte sich mit einer klaren Prognose fest: „In einem Jahr wird sich das E-Rezept durchsetzen.“


Panel 2 „Technologie und Innovationen“: Forderung nach mehr Aufklärung & Integration


Im zweiten Panel des Tages, moderiert von der Journalistin Frederike Gramm, ging es um die Themen Technologie und Innovationen. Für Ilka Dekan von INNO3 war das E-Rezept nur der Anfang einer möglichen vollständigen Vernetzung aller künftigen relevanten Gesundheitsinformationen. Auch Manuel Blechschmidt von ere.health sah in einer integrierten Sammlung aller Gesundheitsdaten große Chancen für Patienten. Frank Böhme, scanacs, hingegen riet, sich zunächst auf die erfolgreiche Einführung des E-Rezepts zu konzentrieren und eine Basis zu schaffen, auf der man beim Thema Digitalisierung aufbauen könne.


Ralf Berger, CGM Lauer, betonte, die Apotheken seien darauf angewiesen, dass Ärzte und Patienten beim Thema E-Rezept abgeholt werden. Es fehle aber an Informationen bei allen Beteiligten, die wichtig wären, um Sicherheit zu erlangen. „Da waren wir am Anfang nicht gut genug“, bekannte Berger, „als Softwarehäuser bieten wir inzwischen Schulungen an, allerdings fehlt uns der Zugang zum Patienten.“
Für die Apotheker wiederum stelle sich die Frage, erklärte Marcel Harrer-Becker, Central Apotheke München, „was können wir guten Gewissens an die Patienten kommunizieren?“ Da sei die Unsicherheit noch sehr groß, andererseits habe bis dato noch kein einziger Patient aktiv nachgefragt. Ganz generell betonte Harrer-Becker, das E-Rezept hätte „offener von den Apothekern empfangen werden sollen, denn es böte ihnen neue Chancen: „Zum Beispiel in der Telepharmazie oder in der Videoberatung.“


Ika Dekan sah es als besonders wichtig an, „Integration von Anfang an zu denken“ und betonte, eine zentrale Anlaufstelle sei wichtig. Frank Böhme stimmte zu und verwies auf das Beispiel Schweden, wo die technische Umsetzung seit mehr als zehn Jahren bereits erfolgt ist. „Dort gibt es eine App für alle Gesundheitsthemen, die Nutzer brauchen nur eine Oberfläche.“


Die Praxis in Deutschland allerdings sei nicht mehr zeitgemäß, meinte Ralf Berger: „Im Gesundheitssystem ist das meistgenutzte Kommunikationsmittel immer noch das Faxgerät.“ Insofern bedeute das E-Rezept „einen riesigen Schritt“ nach vorne.
Zum Abschluss fragte Moderatorin Gramm die Diskutanten nach ihren Wünschen für den Erfolg des E-Rezepts. „Ich wünsche mir Mut und Lust auf Innovationen“, sagte Manuel Blechschmidt, „wir müssen, Innovationen auch auszuprobieren.“ Ilka Dekan wünschte sich ein zentrales Lernportal mit Beispielkunden. „Man muss Testräume schaffen“, schlug sie vor, „am Anfang muss nicht alles perfekt sein.“


Auch Frank Böhme, scanacs, forderte „mehr Mut zu Innovationen“. Er sieht als wesentliche Treiber für den Erfolg des E-Rezepts die Patienten: „Sie erfahren gerade in verschiedensten Lebensbereichen die Vorteile der Digitalisierung und werden diese auch beim E-Rezept zu schätzen wissen.“
Der nächste Summit zum E-Rezept wurde für den 23. November 2021 angekündigt, rechtzeitig vor dem geplanten bundesweiten Start.
Die Aufzeichnung der E-Rezept Welcome-Party ist unter folgendem Link abrufbar: https://scanacs.de/e-rezept-welcome-party


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scanacs GmbH | Judith Kramer | judith.kramer@scanacs.de | +49 172 437 2262