News

Lesetipp & Ergänzungsvorschlag GVWG

Nach der aktuellen Insolvenz des Apothekendienstleisters AvP unterstützen wir das Bestreben, durch die geplanten Änderungen des § 300 SGB V, insbesondere zum § 300 Abs. 2 SGB V, mehr Sicherheit für die Apotheken zu schaffen. Um die von möglichen weiteren Insolvenzen ausgehenden Gefahren für Patienten, Apotheken und Krankenkassen zu verringern, bedarf der vorliegende Gesetzentwurf unseres Erachtens noch der Ergänzung. Damit sind auch die Weichen für weitere Vorhaben zur Digitalisierung des Gesundheitswesens gestellt.

Ein Lesetipp mit wichtigen Hintergründe ist seit heute im Tagesspiegel zu finden: https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/warum-apotheker-nicht-direkt-mit-kassen-abrechnen – wir haben eine exklusive Fassung etwas weiter unten zur Verfügung gestellt.

Konkret geht es uns um folgende Punkte:

  1. Öffnung von Warenwirtschafts- und Apothekensoftwaresystemen sowie Gewährleistung von Interoperabilität
  2. Ergänzung der e-Rezept-Quittung zur Direktabrechnung
  3. Befürwortung der Einrichtung von Treuhandkonten

Unseren gesamten ERGÄNZUNGSVORSCHLAG zur geplanten Gesetzesänderung des § 300 SGB V im Rahmen des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) gibt es hier als Download.

Artikel aus dem Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health von Peter Thelen:

Warum Apotheker nicht direkt mit Kassen abrechnen

Die Insolvenz des Apotheken-Rechenzentrums AvP hat das komplexe System der Abrechnung von Arzneiverordnungen ins Zwielicht gerückt. Trotzdem schreckt die Politik davor zurück, der mit dem E-Rezept möglich werdenden Direktabrechnung zwischen Apotheken und Krankenkassen per Gesetz den Weg zu ebnen. Die Dresdner Software-Firma Scanacs würde das gerne ändern.

Mit dem Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Fülle von Einzelregelungen auf den Weg gebracht, die Transparenz und Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern sollen. Ende März wurde die Liste noch per Änderungsantrag um eine kleine Rechtsänderung verlängert, die es aber in sich hat: Im Paragrafen 300 SGB V, der die „Abrechnung der Apotheken und anderer Stellen“ regelt, sollen die Rechenzentren, die traditionell die monatlich rund 13 Millionen bei den Apotheken eingelösten Papierrezepte mit den Krankenkassen abrechnen, verpflichtet werden, „die vereinnahmten Gelder, soweit diese zur Weiterleitung an Dritte bestimmt sind, auf offenen Treuhandkonten zu hinterlegen“.

Spahn zieht damit eine erste Konsequenz aus der durch Finanzmanipulationen herbeigeführten Insolvenz eines der größten und traditionsreichsten Abrechnungsunternehmen für Apotheken, der Düsseldorfer AvP. Rund ein Fünftel der 19.000 Apotheker waren dort Kunde und bangen seit Monaten um die ihnen zustehende Zahlungen der Krankenkassen, weil diese in der Insolvenzmasse stecken. Die Verpflichtung, dieses Geld in Zukunft auf Treuhandkonten zu parken, soll die Apotheken vor den negativen Folgen weiterer Pleiten unter den verbliebenen Rechenzentren schützen. Ob dies reichen wird ist rechtlich umstritten.

Möglichkeit von Direktabrechnungen gibt es längst

Der sicherste Weg für die Apotheken, an ihr Geld zu kommen, wäre, wenn sie von der rechtlich schon immer bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen würden, die Rezepte direkt mit den Krankenkassen abzurechnen. Davon hält die Bundesvereinigung Deutschen Apothekerverbände (ABDA) allerdings gar nichts. Und sie scheint sich damit vorerst bei Spahn durchgesetzt zu haben.

„Apotheken müssen nicht zwingend die Dienstleistung von Abrechnungszentren nutzen. Aber es hat nach wie vor gute Gründe, dass sie es alle tun“, rechtfertigt ABDA-Sprecher Reiner Kern die Beibehaltung der bisherigen Praxis gegenüber dem Tagesspiegel Background. Aufwand und Kosten seien bei der Direktabrechnung viel zu groß. Spezialisierte Dienstleister könnten dagegen über hohe Skaleneffekte preiswerter arbeiten. „Deswegen muss es jetzt in erster Linie darum gehen, die Arbeit von Abrechnungszentren noch sicherer zu machen“, meint Kern. Dazu reicht seiner Ansicht nach die neue Vorschrift im GVWG zu den Treuhandkonten aus. „Außerdem ist im Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz vorgesehen, dass Unternehmen, die Factoring-Leistungen anbieten, zukünftig stets zwei Geschäftsführer haben sollen.“

Lukratives Geschäft mit Daten

Frank Böhme sieht das völlig anders. Er hat Zweifel, dass zwei Geschäftsführer künftige Betrügereien in Rechenzentren verhindern werden. Die Treuhandkontenpflicht unterstützt er zwar, aber wirklich sicher ist seiner Ansicht nach nur die Direktabrechnung. 

Böhme ist Gründer und alleiniger Geschäftsführer des Dresdner Start-ups Scanacs, das seit 2016 an digitalen Lösungen für Apotheken arbeitet. „Ich halte ja die Haltung der Apothekerverbände aus deren Sicht für durchaus nachvollziehbar“, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel Background und spielt damit auf die enge Verflechtung zwischen Rechenzentren, Apotheken und ihren Verbänden auch über Beteiligungen an. Zu der gehört vor allem das lukrative Geschäft mit dem Datenschatz, der über die Rezeptsammelstellen erzeugt wird. Und der verloren ginge, wenn plötzlich alle Apotheken direkt abrechnen würden.

E-Rezept verringert Aufwand und Kosten

Trotzdem müsse „nun sachlich diskutiert werden, ob es nicht gute und unterstützenswerte Alternativen zu Abrechnungszentren gibt“, findet Böhme. Das bisherige System sei doch nur so lange vorteilhaft für die Apotheken, solange Rezepte auf Papier ausgestellt werden. „Das aber wird sich mit dem Start des E-Rezepts grundlegend ändern.“

Selbst wenn anfangs nur wenige Verordnungen komplett elektronisch, also per App, abgewickelt werden sollten, werde es das klassische Papierrezept spätestens ab dem 1. Januar 2022 nicht mehr geben. Stattdessen erhalte der Kunde dann „den Ausdruck eines QR-Codes, mit dessen Hilfe der Apotheker die elektronische Verordnung des Arztes aufruft“. Das E-Rezept schaffe damit nicht nur die Voraussetzung für einen elektronischen Transport der Verordnung zwischen Patient, Arzt und Apotheker, sondern auch die für eine direkte Abrechnung mit der Krankenkasse. Abgewickelt werden könne diese über eine digitale Plattform – mühelos, mit geringem Aufwand und geringen Kosten für den einzelnen Apotheker.

Ärger über Retaxationen fiele weg

Bislang müssen die Apotheker bis zu 12 Monate auf ihre Endabrechnung warten. Nicht selten müssen sie dann einen Teil ihrer Abschlagszahlungen zurückzahlen, weil die Kassen sich aus verschiedenen Gründen geweigert haben, ein Rezept zu vergüten. In Apothekenkreisen waren diese Retaxationen vor der AvP-Pleite die größte Quelle für Verdruss am bisherigen Abrechnungssystem. Bei der Direktabrechnung erfolgt die endgültige Abrechnung mit der Kasse noch am gleichen Tag – Retaxationen ausgeschlossen.

Nach Böhmes Ansicht, sollte Gesundheitsminister Spahn, der die Digitalisierung des Gesundheitssystems vor vier Jahren ganz oben auf seine Agenda gesetzt hatte, auch deshalb jetzt Nägel mit Köpfen machen, und das laufende Gesetzgebungsverfahren zum GVWG nutzen, um beim Thema Direktabrechnung den Turbo einzuschalten.

Änderungsvorschlag ging an 40 Abgeordnete

Dafür würden wenige zusätzliche Sätze im neuen Paragrafen 300 SGB V genügen. So müssten die Anbieter von Apothekensoftware und Warenwirtschaftssystemen verpflichtet werden, die Nutzung einer Schnittstelle zur direkten Abrechnung elektronischer Verordnungen auch Unternehmen außerhalb des eigenen ABDA-Firmenverbunds, sprich der bisherigen Abrechnungszentren, kostenfrei zu ermöglichen. Eine entsprechende Spezifikation der Schnittstelle könnte die Gematik bis zum 30. September 2021 erstellen. Schließlich müsste der Speicher zur Verarbeitung elektronischer Verordnungen so erweitert werden, dass in ihm alle zur Direktabrechnung erforderlichen Daten zur Verfügung stehen. So steht es in einem Änderungsvorschlag zum Gesetz, den Scanacs kurz vor Ostern an 40 Abgeordnete und Politiker verschickt hat, darunter auch an Gottfried Ludewig (CDU), Digitalisierungschef im BMG.

Bislang ist aber nur der zuständige Experte in der Unionsfraktion, Michael Hennrich (CDU), bereit, sich gegenüber dem Tagesspiegel Background zu dem Vorstoß zu äußern. „Ich bin grundsätzlich offen bei diesem Thema“, sagt der CDU-Politiker. „Aber ich halte nichts davon, dies kurz vor Ende der Legislaturperiode im Schnellschussverfahren zu regeln“, meint er. Hennrich plädiert stattdessen dafür, „darüber nochmal gründlich im Zusammenhang mit der Einführung des E-Rezepts nachzudenken“.

Für Böhme wäre das der späteste Termin. „Ich fände es bedauerlich, wenn die Politik die Optimierungschancen einer Echtzeitprüfung und Direktabrechnung außer Acht lässt“, sagt er. Dies sehen viele Apotheker:innen bereits ähnlich. Fast 3000 von ihnen nutzen bereits die Dienstleistungen von Scanacs, um ihre Rezepte prüfen zu lassen.

TAGESSPIEGEL BACKGROUND GESUNDHEIT & E-HEALTH KOSTENLOS TESTEN

Der Artikel „Warum Apotheker nicht direkt mit Kassen abrechnen“ ist im Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health erschienen.Tagesspiegel Background ist das Fachbriefing für Politik und Wirtschaft. Jeden Morgen um 6 Uhr liefert die Expertenredaktion exklusive Recherchen und aktuelle politische Analysen aus der Gesundheitspolitik und dem E-Health-Sektor. Im Rahmen einer Kooperation zwischen der scanacs GmbH und Tagesspiegel Background können unsere Kunden den Service vier Wochen kostenlos und unverbindlich zu lesen.

 

Hier geht’s zum kostenlosen Test: https://background-briefing.tagesspiegel.de/scanacs/

 

Vorheriger Beitrag
WHITEPAPER ZUR AvP-INSOLVENZ
Nächster Beitrag
BKK Pfalz aktiviert »Zuzahlungsprüfung«