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Eine Milliarde einzusparen kostet fast nichts. Ein Vorschlag

Ein Kommentar von Frank Böhme

Die Diskussionen über die Abrechnung von Arzneimitteln gewinnen zunehmend an Dynamik. Einerseits wird die Notwendigkeit betont, bürokratische Hürden abzubauen und die Digitalisierung konsequent voranzutreiben; andererseits verzögern Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf bestehende Strukturen die Umsetzung neuer Regelungen. Dabei stellt die flächendeckende Umsetzung digitaler Abrechnungsprozesse keine Herausforderung dar. Denn sie sind bei Vorreitern der GKV und in Apotheken seit Jahren etabliert.

Ein zentraler Punkt ist die häufig diskutierte Vorfinanzierung von Arzneimitteln durch Apotheken.

In ihrer jüngsten offiziellen Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministerium für Gesundheit fordert die ABDA daher klar eine Gesetzeserweiterung: „Eine tägliche Abrechnung von E-Rezepten durch Apotheken ist zu ermöglichen“.

Nach unseren Erfahrungen müssen rund fünfzig Prozent der Apotheken Arzneimittel bis zur Erstattung durch die Krankenkasse über Darlehen vorfinanzieren. Das gilt insbesondere bei hochpreisigen Arzneimitteln. Ursache ist unter anderem die wachsende Anzahl chronisch kranker oder multimorbider Menschen, die zu einer vermehrten Abgabe immer teurerer Medikamente und zu einer Konzentration auf die verbleibenden Leistungserbringer führt.

Hierzu ein Beispiel: Bei GKV-Gesamtausgaben von ca. 54 Mrd. Euro (2024), einem Zinssatz von 8 % und einem durchschnittlichen Finanzierungszeitraum von 15 Tagen pro Monat bzw. 180 Tagen pro Jahr ergeben sich jährliche Finanzierungskosten von über 1 Mrd. Euro.

Geld, das dem Gesundheitswesen entzogen und dem Finanzsektor zugeführt wird.

Die rasante technologische Entwicklung einerseits und die demografischen Herausforderungen andererseits machen die Dringlichkeit, bestehende Schlüsselprozesse zügig effizienter zu gestalten, mehr als deutlich.

Dazu gehört auch die Forderung nach einer umfassenden Modernisierung der Abrechnungsprozesse im Gesundheitswesen. So trägt der bisherige Abrechnungsprozess für Arzneimittel zu bestehenden Ineffizienzen bei, denn ärztliche Verordnungen werden häufig noch immer von Mitarbeitenden der Krankenkassen manuell geprüft. Teilweise werden E-Rezepte sogar so umgewandelt, dass sie wieder wie der bekannte rosa Zettel aussehen. Hier ist ein politischer Impuls unbedingt notwendig. Offensichtlich ist die Selbstverwaltung bei der Modernisierung dieser Prozesse in den letzten Jahren an ihre Grenzen gestoßen.

Mit einer verpflichtenden täglichen Abrechnung ließe sich demnach ohne zusätzliche Kosten ein erhebliches Nutzenpotenzial erschließen.

Um eine zentrale, eindeutige Abrechnungsgrundlage zu schaffen und den administrativen Aufwand durch neue, standardisierte Prozesse zu reduzieren, unterstützen wir eine entsprechende Gesetzesinitiative zur Anpassung des § 300 SGB V an ein modernes, digitales Umfeld ausdrücklich.

Die notwendige Technologie zur Umsetzung dieses ABDA-Vorschlags steht mit der scanacs-Direktabrechnung bereits zur Verfügung.  Daher gehen wir noch einen Schritt weiter.  Neben der Erweiterung des § 300 SGB V um eine tägliche Abrechnung von E-Rezepten, schlagen wir die Einführung einer echten Wahlfreiheit, einer Echtzeitprüfung sowie eine verpflichtende Verwendung von elektronischen Rechnungen vor. Wesentliche Maßnahmen zur Förderung von Effizienz und Transparenz in der Abrechnung sind daher aus unserer Sicht:

  • Einführung flexibler Abrechnungsintervalle im Arzneimittelbereich, um jeder Apotheke die Belieferung von Patienten mit hochpreisigen Arzneimittel zu ermöglichen. Sie profitieren von beschleunigten Zahlungen, die die Verfügbarkeit gerade von hochpreisigen Arzneimitteln deutlich verbessern. Patienten müssen nicht mehr aufwendig nach beliefernden Apotheke suchen.
  • Einführung einer echten Wahlmöglichkeit zwischen Selbstabrechnung durch die Apotheke und Abrechnung über ein Apothekenrechenzentrum. Mancher Arzneimittelliefervertrag hebelt teilweise bewusst oder unbewusst die gesetzliche Grundlage des § 300 SGB V aus.
  • Einführung einer Echtzeitprüfung, um Aufwände zu reduzieren, die in Apotheken zur Vermeidung von Rechnungskürzungen oder in Krankenkassen zur Fehlererkennung entstehen. Durch automatisierte, digitale Abrechnungsprozesse werden Verwaltungsaufwand und interne Kosten reduziert. Die schnelle Datenverfügbarkeit schafft Transparenz.
  • Einführung der E-Rechnung als Standard des digitalen Rechnungsaustauschs und Annahmeverpflichtung der E-Rechnung für Körperschaften des öffentlichen Rechts, um die Rechnungserstattung bei Kostenträgern möglichst effizient zu gestalten. Es kann nicht sein, dass Rezepte elektronisch verordnet, aber mit Papier abgerechnet werden müssen.

Fazit: Die ABDA hat mit ihrer Forderung nach einer täglichen Abrechnung Recht. Denn monatliche Abrechnungszyklen sind nicht mehr zeitgemäß, zumal z. B. Krankenhäuser ihre Aufnahme- und Entlassanzeigen sowie die Abrechnung bereits seit 2001 täglich vollelektronisch an Krankenkassen übertragen. Warum sollte das bei Apotheken also nicht gehen?

Fraglich ist auch, ob unser Gesundheitswesen, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, auf die Finanzierung über den Kapitalmarkt angewiesen sein sollte.

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